Tournüre – Kapitel 1: Einstieg und Röcke
Autor: ina
21. März 2015
Vor einigen Jahren hat mir eine Freundin, die selbst näht, das Buch Patterns for Theatrical Costumes geschenkt. Seitdem liebäugelte ich mit dem Gedanken, das viktorianische Kleid darin einmal zu nähen. Aus Angst vor der eigenen Courage habe ich es aber immer wieder verschoben. Auf später, wenn ich mal besser bin. So eine Tournüre schüchtert erst mal ein.
Doch dann kam eine Einladung von Freunden zu einer Themen-Hochzeit. Und das Thema war Steampunk (in einem Satz: Science Fiction, in der die Technik sich aus Dampfmaschinen und Uhrwerken entwickelt hat und die Mode aus der des viktorianischen Zeitalters weiterentwickelt wurde). Ich dachte mir, wenn ich das nicht zum Anlass nehme, das Kleid in Angriff zu nehmen, dann tue ich es nie mehr.
Gesagt, getan.
Weil es so ein großes Projekt ist, teile ich es in mehrere Artikel auf, die sich jeweils auf andere Bereiche konzentrieren. Hier geht es also vor allem um die Röcke.
Das ist die Seite aus dem Buch, die die Vorlage gebildet hat. Dazu gibt es immer noch eine Seite mit Schnittmustern, recht einfach gehalten, im Verhältnis 1:8. Es gibt auch eine extra Ansicht für das darunter.
Tatsächlich war mir klar, dass ich das Kleid ändern wollte. Steampunk ist eben nicht exakt Viktorianisch und eine langärmlige Jacke wäre mir auf einer ganztätigen Hochzeit doch sicher zu warm, selbst im Oktober.
Das waren meine Materialien, bevor ich losgelegt habe. Für den Unterrock oder Futter habe ich ganz einfachen Baumwollstoff (Bomull von Ikea) genommen, die beiden Oberstoffe sind Taftgewebe. Dazu gab es noch verschiedene Federn (Plastik und Stahl) und passende Tunnel.
Hier habe ich die Schnittmusterteile für den Unterrock vergrößert. Dazu habe ich die im Buch angegebene Strahlentechnik verwendet.
Die drei Teile von links nach rechts sind Vorderteil, Rückteil und Tournürenkorb. Natürlich jeweils nur als Hälften.
Hier sind die Tunnel für die Spiralfedern. Ich habe sie nur auf einer Seite festgenäht.Ich habe mich auch für die Stahlfedern entschlossen. Schließlich muss diese Feder einiges tragen und auch mal drauf setzen aushalten. Am schwierigsten ist dabei, die Stahlfedern zu kürzen. Ich habe mit dem Bolzenschneider, den ich vom Kollegen geliehen hatte auf jeden Fall ordentlich arbeiten müssen, bis die abgeschnitten waren. Ich hatte auch Stücke für die Enden mitbestellt – aufsteckbare Gummiteile, die flach auslaufen. Kann ich nur empfehlen, ich würde es nicht ohne machen wollen.
Bevor ich den Korb angenäht habe, habe ich ihn mit eingefädelten Federn mal festgesteckt. Dabei hatte ich das Gefühl, dass der Tournüreneffekt nicht genug zu sehen ist. Also habe ich entschlossen, den Korb ein wenig nach hinten zu versetzen, um den Effekt zu verstärken.
Später habe ich dann übrigens festgesteckt, welchen Fehler ich dabei begangen habe: ich hatte nur die Seiten festgesteckt, nicht das obere Ende. Dadurch bekommt natürlich der Rock noch weitere Spannung und hebt die Federn weiter nach oben, was sie weiter nach aussen stehen lässt.
Den Rock selbst habe ich übrigens oben mit einem einfachen Reißverschluss und einem Endknopf geschlossen. Nicht vergessen – ich wollte hier kein echtes viktiorianisches Kleidungsstück. Sonst hätte ich sowas natürlich nicht gemacht.
Ich wollte den Korb jeweils von oben nach unten festnähen. Das hatte dummerweise den Effekt, dass ich einen ganzen Haufen Stoff unter dem Arm meiner Nähmaschine durchschieben musste.
Ich dachte, das Bild zeigt recht deutlich, wie viel Stoff alleine schon für den Unterrock drauf gegangen ist (ich glaube, es waren etwa 6m). Auf einer Seite habe ich den Korb komplett festgenäht, auf der anderen Seite habe ich alles bis auf die Tunnel festgenäht.
Danach habe ich die Stahlfedern mit den Enden bestückt und eingefädelt und auch die Stücke der Tunnel am Unterrock festgenäht. Auch hier gab einen riesen Spaß mit der Nähmaschine. Durch die gespannten Federn muss man einigermaßen Überzeugungsarbeit leisten, um den Stoff unter den Fuß zu dirigieren.
So sieht der fertige Unterrock aus. Man kann denke ich ganz gut erkennen, dass der eigentliche Rock relativ nah am Körper anliegt, während der Tournürenkorb weit absteht.
Hier sieht man dann auch den seitlich eingenähten Reißverschluss.
Von Rock und Schürze habe ich leider verpasst, Making-Of-Bilder zu machen. Hier sieht man die Schürze komplett fertig, den Rock zumindest bis auf den Saum.
Beim Rock musste ich Stoff einsetzen, da durch meine eigenwillige Korbversetzung natürlich der Umfang größer geworden ist. Das Versäumen habe ich so lange herausgezögert, bis ich das passende Korsett und die richtigen Schuhe hatte. Für den Verschluss habe ich eine der vorderen Nähte nicht bis ganz oben geschlossen und mit Haken und Ösen bestückt. Im Bund selbst habe ich einfach einen Gummi durchgefädelt, der im Kreis auch über diese Öffnung ging.Die Schürze hat am Saum Rüschen, ist vorne recht glatt, hinten stark gebauscht. Auch hier ist der Bund nur mit einem Gummizug realisiert. Schließlich verschwindet das später unter dem Korsett.
Im zweiten Teil geht es um meine Accessoires.
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